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WiFF-Bundeskongress am 15./16.11.2022 Ganztagsangebote für Grundschulkinder - Zwischen Qualitätsanspruch und Ausbaubedarf

Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab dem Schuljahr 2026/27 ist beschlossen und die Erwartungen an seine Umsetzung sind hoch: Ganztagsangebote sollen allen Schüler:innen bessere Bildungschancen ermöglichen, den Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern und dabei die Bedürfnisse der Kinder berücksichtigen. Welche Rahmenbedingungen, welches Personal und welche Konzepte werden gebraucht, damit dies gelingen kann? Damit beschäftigten sich Expert:innen aus Wissenschaft, Politik und Praxis beim WiFF-Bundeskongress am 15. und 16. November 2022. Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie fand der Kongress wieder in den Räumlichkeiten der Robert Bosch Stiftung in Berlin statt, wo über 150 Teilnehmende Vorträge, Panels und Diskussionsrunden verfolgten und sich untereinander vernetzten. Weitere 600 Personen wählten sich in den Livestream ein.

Einführung: Ganztagsangebote für Grundschulkinder

Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin, Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) © Konstantin Gastmann

„Die Fachwelt treibt vor allem die Sorge um, wo das Personal herkommen soll“, sagte WiFF-Leitung Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin bei ihrem Einführungsvortrag. Nach Schätzungen des Forschungsverbunds DJI/TU Dortmund werden bis zum Schuljahr 2029/30 zusätzliche 20.000 bis 40.000 rechnerische Vollzeitstellen für die ganztägige Förderung von Grundschulkindern benötigt. Bei der Arbeit im Ganztag handle es sich um eine anspruchsvolle Tätigkeit, die angemessen qualifizierte Kräfte erfordere, betonte die WiFF-Leitung. Anders als in der Frühen Bildung spielen in der Ganztagsbetreuung aktuell pädagogische Laien eine vergleichsweise große Rolle. Auf dem Kongress wurde mit dem Wegweiser Weiterbildung „Ganztag für Grundschulkinder“ eine Publikation vorgestellt, die Grundlagen für die kompetenzorientierte Weiterbildung von pädagogisch Tätigen in der Ganztagsbildung enthält. Da die Qualität pädagogischer Angebote eng verknüpft ist mit der Qualifikation des Personals, liege in der Aus- und Weiterbildung von Quereinsteigenden eine Chance aber auch eine Herausforderung für das Arbeitsfeld, so ein Fazit der Tagung.

Keynote Prof. Dr. Stecher: Qualität im Ganztag

Prof. Dr. Ludwig Stecher, Justus-Liebig-Universität Gießen © Konstantin Gastmann

Wir brauchen qualitativ hochwertige Ganztagsschulen, die ihr pädagogisches Potenzial ausschöpfen. Darin sind sich alle einig. Worin besteht dieses Potenzial - in Hinblick auf Inhalte, Personal und Methoden? Welche Dimensionen von Qualität gibt es? Und wie erreichen wir sie? Der Vortrag von Professor Dr. Ludwig Stecher ging diesen Fragen nach und zeigte auf, warum wir einerseits von der Ganztagsschule einiges erwarten dürfen und warum andererseits die gewünschte Qualität so schwer zu haben ist. Am Ende stehen mit dem ‚pädagogischen und empirischen Vorbehalt‘ zwei Leitlinien, die für die Entwicklung einer guten Ganztagsschule dienlich sein können. Aber "es wird immer der Fort- und Weiterbildung bedürfen - und der gemeinsamen Diskussion, um Ansätze zu finden, was Qualität in den einzelnen Bereichen bedeuten kann", so der Bildungsforscher.

Filmeinspieler: Interviews mit Fachkräften zum Ganztag

Keynote Prof. Dr. Rauschenbach: Personal im Ganztag

Prof. Dr. Thomas Rauschenbach © Konstantin Gastmann

Professor Dr. Thomas Rauschenbach gab in seiner Keynote eine Bestandsaufnahme zum Themenfeld Personal auf der Basis einer quantitativen Standortbestimmung und qualitativer Eckwerte. Für die einen ist das Personal die Lösung des Problems, für die anderen das Problem selbst. Zwischen der Erwartung eines künftigen Fachkräftegebots als Indikator für einen guten Ganztag und des sich immer stärker ausbreitenden Arguments, der Rechtsanspruch könne wegen fehlender Fachkräfte gar nicht realisiert werden, stagniert die dringend notwendige Debatte über die Ausgestaltung, Vorbereitung und Umsetzung des 2026 beginnenden Rechtsanspruchs für Grundschulkinder. "Dabei ist bis heute nicht einmal im Ansatz klar, wer überhaupt im Ganztag arbeitet", konstatierte der Wissenschaftliche Leiter des Forschungsverbundes DJI/TU Dortmund.

Podiumsdiskussion: Ganztag zwischen Qualitätsanspruch und Ausbaubedarf

unten v.l.: Kate Maleike, Dr. Dirk Bange, Christiane Gotte, Doreen Siebernik, Johannes Schubert
oben: Monika Tresp © Konstantin Gastmann

Dr. Dirk Bange (Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, Hamburg), Christiane Gotte (Bundeselternrat), Doreen Siebernik (GEW), Johannes Schubert (Schulleitung Adolf-Reichwein-Bildungshaus) und Monika Tresp (Gemeindetag Baden-Württemberg) diskutierten mit Moderatorin Kate Maleike über Baustellen, Erwartungen und Handlungsbedarfe im Ganztag. Die Vertreterinnen und Vertreter aus Praxis und Politik waren sich einig, dass der Ganztag ein Lern- und Lebensort werden müsse, den alle Kinder gerne besuchen. Auch müsste sich das Arbeitsfeld  dahingehend entwickeln, dass die beteiligten Professionen gleichberechtigt und kooperativ zusammen wirken können. Über das richtige Maß an freiwilliger und verbindlicher Teilnahme am Ganztag sowie dem Verhältnis von Freiräumen und Strukturen bestand jedoch Diskussionsbedarf.

Filmeinspieler: Interviews mit Schüler:innen zum Ganztag

Keynote Prof. Dr. Nentwig-Gesemann: Kinder im Ganztag

Professorin Dr. Iris Nentwig-Gesemann, Freie Universität Bozen © Konstantin Gastmann

In allen Prozessen von Bildung und Erziehung sind Kinder als gleichwürdige Subjekte und Träger von Rechten zu achten und zu respektieren. Ihr Wohlbefinden und ihre ‚best interests‘ müssen im Zentrum von Pädagogik und damit auch von Qualitätsentwicklung in Schule und Ganztag stehen. Menschenrechtsbildung stärkt Kinder darin, sich für die eigenen Rechte und die Rechte aller einzusetzen. In eine Kultur der Beteiligung und demokratischen Entscheidungsfindung müssen Kinder sich einleben und einüben können. Der Vortrag von Professorin Dr. Iris Nentwig-Gesemann zeigte auf, wie sich ein reichhaltiges Feld für er- und gelebte Demokratie eröffnen kann, wenn Qualitätsentwicklung von Ganztag als ‚Sache der Kinder‘ konzipiert und realisiert wird.

© Konstantin Gastmann

Panels mit Impulsvorträgen

Katja Tillmann, DJI Forschungsverbund / TU Dortmund © Konstantin Gastmann

Impulse aus der Wissenschaft und der Praxis blicken auf die Akteure im Ganztag und beleuchten ihre Bedarfe, Herausforderungen und Zusammenarbeit.

Panel 1: Blick auf die Fachkräfte

Dem Personal kommt für die Realisierung eines qualitativ guten Ganztags eine Schlüsselrolle zu und die Ansprüche an die pädagogisch Tätigen sind hoch. Wer arbeitet im Ganztag und unter welchen Rahmenbedingungen arbeitet das Personal? Über welche Kompetenzen müssen die pädagogischen Akteure verfügen? Welche Rolle spielen Fachkräfte, welche pädagogische Laien? Unter welchen Bedingungen kann der Ganztag für Grundschulkinder perspektivisch ein attraktives Arbeitsfeld sein? Diesen Fragen widmeten sich Katja Tillmann und Ulrike Glöckner im Panel 1 zum Thema "Blick auf die Fachkräfte".

Präsentationen zu Panel 1

  • Katja Tillmann PDF, 1.84 MB Personal im Ganztag für Grundschulkinder zwischen hohen Anforderungen und herausfordernden Rahmenbedingungen
  • Ulrike Glöckner PDF, 1.16 MB Ganztagesangebote für Grundschulkinder. Zwischen Qualitätsanspruch und Ausbaubedarf

Panel 2: Blick auf die Eltern

Yvonne Wagner, Erzieherin, Autorin und Referentin in der Fortbildung pädagogischer Fachkräfte © Konstantin Gastmann

An die Zusammenarbeit zwischen Bildungspersonal und Eltern werden hohe Erwartungen geknüpft. Um diesen Erwartungen und den damit verbundenen Chancen und Hürden begegnen zu können, müssen Fachkräfte sich mit den unterschiedlichen Rollen der Beteiligten und den eigenen Einstellungen auseinandersetzen. Im Panel 2 richteten Professorin Dr. Axinja Hachfeld und Yvonne Wagner ihren Blick auf die Eltern und thematisierten folgende Fragen: Was wird von Fachkräften bzw. Eltern gefordert? Wo liegen die Herausforderungen? Welchen Stellenwert hat die Zusammenarbeit für das Kind?

Präsentation und Handout zu Panel 2

Panel 3: Blick auf die Kinder

Professorin Dr. Tanja Betz, Johannes Gutenberg-Universität Mainz © Konstantin Gastmann

Die Bedarfe und Interessen von Kindern sollten in einer ganztägigen Bildung, Erziehung und Betreuung in besonderem Maße berücksichtigt werden, um Teilhabe, Bildungschancen und Wohlbefinden zu ermöglichen. Hierfür spielt das Handeln der Fachkräfte sowie die Ausgestaltung des pädagogischen Alltags eine wichtige Rolle. Wie erleben Kinder den Ganztag und welche Unterschiede zeigen sich dabei zwischen unterschiedlichen Kindergruppen? Wie gestalten Grundschulkinder den Ganztag konkret mit? Was ist für sie bedeutsam? Wie lässt sich ihre Meinung angemessen berücksichtigen? Und worin liegen Herausforderungen für eine kindorientierte Ausgestaltung der ganztägigen Bildung, Erziehung und Betreuung? Diesen Fragen gingen Professorin Dr. Tanja Betz und Frank Wagner im dritten Panel nach.

Präsentation zu Panel 3

Panel 4: Blick auf interne Kooperation und multiprofessionelle Zusammenarbeit

Mike Menke, Pädagogische Koordinatoren der ergänzenden Förderung und Betreuung, Erika-Mann-Grundschule Berlin © Konstantin Gastmann

Die interne Kooperation ist im Kontext des Ganztags von besonderer Bedeutung und sollte konstruktiv umgesetzt werden. Dies kann sich in Anbetracht der unterschiedlichen Berufsgruppen und Arbeitszeiten als herausfordernd darstellen. Mit Blick auf diese interne Kooperation widmeten sich Dr. Anne Breuer, Mike Menke und Gregor Lange im vierten Panel folgenden Fragen: Wie sind die pädagogischen Zuständigkeiten im Ganztag geregelt? Wie kann gelingende multiprofessionelle Kooperation in der Praxis konkret aussehen? Welche Möglichkeiten gibt es, die Zusammenarbeit aller im Ganztag pädagogisch tätigen Personen zu fördern und zu stärken?

Präsentationen zu Panel 4

Panel 5: Blick auf die Angebotsformate: Lernen und/oder Freizeit

Professorin Dr. Natalie Fischer, Universität Kassel © Konstantin Gastmann

Angebote im Ganztag sind vielfältig. Sie umfassen strukturierte Lernsettings ebenso wie Freizeitangebote. Verschiedene Einrichtungen setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Was zeichnet qualitativ gute Ganztagsangebote aus? Welche Formate und Aktivitäten wünschen sich die Kinder? Wer profitiert von der Teilnahme an welchen Angeboten? Und wie gelingt eine förderliche Rhythmisierung? Diesen Fragen gingen Professorin Dr. Natalie Fischer, Benjamin Skladny und Madlen Vormelker im fünften Panel nach.

Präsentation zu Panel 5

Zusammenfassung Panel 1-5

Posterwalk: Arbeitsfeld Kita im Fokus der WiFF-Forschung

Anhand eigener empirischer Forschung beobachtet und analysiert WiFF aktuelle Entwicklungen in der Kindertagesbetreuung. Je nach Forschungsfrage unterscheiden sich Zugänge und Methoden: angefangen von der Auswertung amtlicher Statistik bis hin zur qualitativen Analyse von Interviews. Welche Studien Referentinnen und Referenten der WiFF in der aktuellen Projektphase (2019–2022) durchgeführt haben, erfahren Sie im Rahmen dieses digitalen Posterwalks.

Eindrücke aus der Robert Bosch Stiftung in Berlin

© Konstantin Gastmann
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Publikation zum Thema

Infoclip zum WiFF-Wegweiser Weiterbildung

Kontakt

© Felix Krammer

Julia Pollert

Projektkommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen

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