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WiFF-Tagung am 20. September 2018 Frühe naturwissenschaftliche Bildung! (Wie) Geht das?

Kinder sind neugierig auf ihre Umwelt. Das frühe Erleben von Natur und Naturwissenschaften bietet Chancen für die Entwicklung und ist fester Bestandteil der Bildungspläne aller Bundesländer. Doch wie kann dieser Bildungsbereich in der Kita altersgerecht und orientiert an den individuellen Voraussetzungen der Kinder gestaltet werden? Welche Kompetenzen benötigt das Kita-Team? Diese Fragen behandelt der neue Band der Reihe „Wegweiser Weiterbildung“, der auf einer Tagung im Oktogon auf dem Gelände der Zeche Zollverein in Essen vor etwa 115 Teilnehmenden vorgestellt wurde.

Ein Drittel der Fachschulen in NRW bietet Naturwissenschaften an

Susanne Blasberg-Bense vom Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen © Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH

„Frühe naturwissenschaftliche Bildung ist Daseinsfürsorge für uns alle, gerade in einer postindustriellen Gesellschaft“, sagte Susanne Blasberg-Bense vom Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen – auch mit Blick auf die Geschichte des Ruhrgebiets. Inzwischen böten in NRW etwa ein Drittel der Fachschulen naturwissenschaftliche Bildung als Wahlpflichtfach für angehende Erzieherinnen und Erzieher an, berichtete Blasberg-Bense. In ihrem Grußwort lobte sie die den Einsatz der WiFF. Diese sei aus aktuellen Entscheidungen in der frühpädagogischen Bildung kaum mehr wegzudenken und böte Materialien, die sowohl in der Kita als auch im Ministerium genutzt werden könnten.

Breites Bildungsverständnis gefordert

WiFF-Leitung Professorin Dr. Anke König © Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH

„Ist frühe naturwissenschaftliche Bildung zielführend im Sinne eines umfassenden Bildungsansatzes in der Kita?“, fragte WiFF-Leitung Professorin Dr. Anke König zu Beginn ihrer Einführung und argumentierte für ein klares Ja. Nach Wilhelm von Humboldt sei Bildung die Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst, den Anderen und der Welt. Sie stellte die Frage, ob bereits in so jungen Jahren von früher naturwissenschaftlicher Bildung gesprochen werden kann. Hierfür formulierte König drei zentrale Forderungen, die Kitas und Fachkräfte beherzigen sollten: 1. Kinder als Akteurinnen und Akteure anerkennen, die Zusammenhänge verstehen wollen; 2. die Neugierde am Unerwarteten nutzen und Weltaneignung ermöglichen; 3. Bildung umfassend denken, sowohl Beziehungsgeschehen als auch Selbstkonstruktion berücksichtigen.

Naturwissenschaften in der Kita: „Lieber weniger, dafür gründlicher“

Professorin Dr. Mirjam Steffensky vom Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel © Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH

„Was sind Naturwissenschaften?“, fragte Professorin Dr. Mirjam Steffensky vom Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel zu Beginn ihres Vortrags. Eine klare Definition gebe es zwar nicht, sagte Steffensky, die kürzlich für die WiFF eine Expertise zu früher naturwissenschaftliche Bildung verfasst hat, doch lassen sich zwei typische Merkmale ausmachen: Zum einen beschreiben und erklären Naturwissenschaften die natürliche Umwelt; zum anderen nutzen sie hierfür spezifische Vorgehensweisen, die oft evidenz-basiert sind. Relevant für (frühe) Bildung seien Naturwissenschaften, weil sie zur menschlichen Kultur gehören und weil sie informierte Entscheidungen und informiertes Handeln im Alltag ermöglichen. Somit beeinflussen sie das gesellschaftliche, politische und persönliche Leben. Aktuelle wissenschaftliche Befunde zeigten jedoch, dass es große herkunftsbedingte Unterschiede bei frühem naturwissenschaftlichen Wissen gibt. Von diesem wiederum hängen die Leistungen in der Grundschule und möglicherweise auch der weitere Bildungsverlauf ab. Steffensky unterstrich, wie wichtig die Prozessqualität der Lerngelegenheiten für die kindliche Entwicklung sei. Neben kognitiver Unterstützung spiele hierbei auch die emotionale Unterstützung sowie die Gruppenführung eine Rolle. Eine Herausforderung für Kita-Fachkräfte sei allerdings, dass kein Konsens über Inhalte und anzustrebendes Level früher naturwissenschaftlicher Bildung bestehe. Nach dem Motto „lieber weniger, dafür gründlicher“ riet Steffensky dazu, Kindern lieber weniger Phänomene näherzubringen, dies aber in unterschiedlichen Kontexten. Das sei notwendig, damit Kinder eine Sensibilität für die Phänomene entwickeln und lernen, sie wiederzuerkennen und zu vergleichen, beispielsweise Schmelzen, das sowohl Kerzenwachs und Butter, aber auch Schnee betreffen könne.

Vom Gegner zum Befürworter früher naturwissenschaftlicher Bildung

Dr. Hans Rudolf Leu, ehemaliger wissenschaftlicher Leiter von WiFF © Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH

„Ich habe mich vehement dagegen gewehrt, Naturwissenschaften in die Themen der Wegweiser-Reihe aufzunehmen“, erinnerte sich Dr. Hans Rudolf Leu, ehemaliger wissenschaftlicher Leiter von WiFF (2008 –2011), in seinem Kommentar. Damals habe es die Vorstellung gegeben, man könne durch entsprechende Frühe Bildung in einem Top-Down-Verfahren Kinder zu naturwissenschaftlichen Karrieren bewegen. Der Diskurs habe frühkindliche Bedürfnisse nicht beachtet. Im Gegensatz dazu stehe der nun veröffentlichte Wegweiser für einen Bottom-Up-Ansatz. Nicht zuletzt die Expertise von Prof. Dr. Steffensky habe ihn sehr davon überzeugt, dass frühe naturwissenschaftliche Bildung zu Recht Thema einer Wegweiser-Publikation geworden ist.

Workshops: Frühpädagogische Handlungsfelder

© Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH
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Handlungsfeld Fachkraft

„Viele Ansprüche werden von außen an die Kita-Fachkräfte herangetragen“, sagte die freie Weiterbildnerin Anita Meyer. Frühe naturwissenschaftliche Bildung stelle sich für viele dann als zusätzliche Aufgabe dar. Dabei sei es wichtig, das Wohlbefinden des Kindes als übergeordnetes Ziel stets im Blick zu behalten, betonte WiFF-Referentin Nicole Spiekermann. Zentral hierfür seien beispielsweise die kindlichen Bedürfnisse nach Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit. Teilnehmende berichteten aus ihrer eigenen Praxis, dass mitunter selbst basale Bedürfnisse von Kindern, etwa nach Ruhe und Schlaf oder Nahrung, nicht ausreichend erfüllt seien und Fachkräfte dies kompensieren müssten. Auch das Wohlbefinden der Fachkräfte sei aufgrund mangelhafter Rahmenbedingungen bei gleichzeitig hoher Verantwortung gefährdet. Somit sei das im Kompetenzprofil des Wegweisers Weiterbildung dargestellte Bild Früher Bildung zwar ein erstrebenswerter Anspruch; seine Umsetzung aber erfordere längerfristige Weiterbildungs- bzw. Coachingprozesse sowie Austausch- und Reflexionsmöglichkeiten.

Präsentation zum Workshop

Handlungsfeld Kinder/Peers/Gruppe

Vor welchen Handlungsanforderungen stehen frühpädagogische Fachkräfte im Bereich Kinder, Peers und Gruppe, wenn sie frühe naturwissenschaftliche Bildung in der Kita umsetzen? Das wurde anhand eines Fallbeispiels diskutiert. Es veranschaulichte, dass naturwissenschaftliche Bildung in den verschiedensten Situationen des Kita-Alltags auftreten kann und wie herausfordernd diese Situationen für die pädagogischen Fachkräfte sein können. Gemeinsam mit den WiFF-Referentinnen Sarah Reker und Dr. Katja Flämig diskutierten die Teilnehmenden über Spielräume für die Gestaltung naturwissenschaftlicher Bildung im Kita-Alltag. Eine Teilnehmerin stellte fest: „Es ist sehr schwer, den defizitorientierten Blick abzulegen und eine kompetenzorientierte, wertschätzende Perspektive gegenüber der Fachkraft aus dem Beispiel einzunehmen.“ An dieser Stelle wurde die Bedeutung von Reflexion als zentrales Element frühpädagogischer Arbeit deutlich. Eine wertschätzende Atmosphäre ist nicht nur für Kinder, Peers und Gruppe notwendig, um naturwissenschaftliche Bildungsimpulse zu setzen, sondern auch für die Fachkräfte, das familiäre Umfeld und den Sozialraum.

Präsentation zum Workshop

Handlungsfeld Familiäres Umfeld

Welche Anregungen bietet der Wegweiser „Frühe naturwissenschaftliche Bildung“ für die Fachkräfte im Handlungsfeld Kita? Wie sieht im Vergleich dazu die Praxis in den Einrichtungen aus? Das diskutierten die Teilnehmenden mit WiFF-Koordinatorin Dr. Carola Nürnberg nach Lektüre eines Ausschnitts aus dem Wegweiser. Ergebnis des Abgleichs: Familien einzubeziehen, kann eine sehr komplexe Herausforderung sein. Die Erwartungen der Eltern seien ganz verschieden, berichteten die Teilnehmenden aus ihrer eigenen Praxis – einige Eltern hätten von früher naturwissenschaftlicher Bildung bislang nur wenig gehört, andere hingegen hätten sehr hohe Ansprüche. Diskutiert wurde zudem, wie die Familien in den Kita-Alltag eingebunden werden können: durch abgegrenzte Projekte und Events oder doch besser durch alltagsnahe Gespräche über die Erlebnisse der Kinder? Großes Interesse galt Praxisbeispielen zur Dokumentation: Teilnehmerinnen berichteten, dass sie Erfahrungen und Ergebnisse auf einer Pinnwand festhalten oder auch Kindern etwas mit nach Hause mitgegeben, etwa ein Tütchen Backpulver, nachdem in der Kita gemeinsam gebacken wurde.

Präsentation zum Workshop

Handlungsfeld Team

„Der Kita-Ausbau bringt Veränderungen auf der Teamebene mit sich“, sagte WiFF-Leitung Professorin Dr. Anke König. Gerade das Team aber sei zentral für die Entwicklung pädagogischer Qualität. Daher sei es notwendig, an einer guten Teamkultur zu arbeiten. So fordert der Wegweiser „Frühe naturwissenschaftliche Bildung“, die Vielfalt der Fachkräfte bei der Umsetzung naturwissenschaftliche Bildung in der Kita zu berücksichtigen, etwa hinsichtlich Interessen und Erfahrungen. Aufgabe der Leitungskraft ist es demnach, sich für ein gemeinsames Verständnis naturwissenschaftlicher Bildung und für den regelmäßigen Austausch im Team einzusetzen. Inwieweit das gelingen kann, wurde an einem Fallbeispiel aus der Kita-Praxis diskutiert, das WiFF-Referentin Clarissa Uihlein vorstellte: dem Gesprächsverlauf eines Kita-Teams nach dem Besuch einer naturwissenschaftlichen Weiterbildung. Oft würden diese Gespräche zwischen „Tür und Angel“ geführt, stellten die Teilnehmenden fest. „Damit bleibt der Austausch informell“, sagte eine Teilnehmerin. Problematisch sei, wenn es an Offenheit für Ideen und Fragen von Kolleginnen und Kollegen mangele. Nötig seien außerdem Zeitressourcen, um sich über ein gemeinsames Bildungsverständnis auszutauschen, betonte eine Teilnehmerin.

Präsentation zum Workshop

Handlungsfeld Einrichtung im Sozialraum

„Um über Natur nachzudenken, brauchen Kinder ausreichende Erfahrung mit der Natur“, sagte Diana Rosenfelder, die neben ihrer Tätigkeit als freie Fortbildnerin auch naturnahe Außengelände für Kitas plant und gestaltet. Oft würden Kita-Gelände auf Sicherheit und Sauberkeit hin geplant, zu selten jedoch als Bildungsraum für Naturerfahrungen begriffen, stelle sie immer wieder fest. Dadurch entstünden anregungsarme Flächen, wie sie an einigen Beispielen zeigte. Ziel hingegen müsse es sein, Räume zum Experimentieren zu schaffen – beispielsweise auch mit Blick auf das soziale Umfeld im Stadtviertel. Einen anschaulichen Einblick in die Arbeit in Lernwerkstätten bot Professor Dr. Hartmut Wedekind von der Alice Salomon Hochschule Berlin. Die von ihm mitgebrachten „Tüfteltruhen“ enthielten zahlreiche Materialien, die Kinder zur Auseinandersetzung mit ihrer Umgebung anregen können: ein Temperaturmessgerät, eine Stoppuhr, ein Sprachrecorder, ein Lautstärkemesser, eine Lupe, ein Maßband … Diese Materialien könnten Kindern ohne konkrete pädagogische Vorgabe zur Verfügung gestellt werden und eigneten sich ihm zufolge gleichermaßen für Kindergarten wie auch für die Grundschule.
Diskutiert wurde unter anderem, welche Bedeutung soziale Dimensionen wie Gender und Multikulturalität für frühe naturwissenschaftliche Bildung haben.

Praxiseinblicke: Fachkräfte bestärken und Hemmschwellen abbauen

Wie lässt sich frühe naturwissenschaftliche Bildung in der Praxis konkret umsetzen? Was ist dafür nötig in der Einrichtung, im Team, aber auch bei der einzelnen Fachkraft? Darauf gaben Vertreterinnen und Vertreter aus der Praxis Antwort im Gespräch mit WiFF-Referentin Annemarie Schuldt.

Miriam Brandtner © Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH

„Ich erlebe oft, dass Fachkräfte sagen: ‚Wie kriege ich auch noch naturwissenschaftliche Bildung unter?‘“, berichtete Miriam Brandtner von der Forscherstation des Klaus-Tschira-Kompetenzzentrums für frühe naturwissenschaftliche Bildung in Heidelberg. Wichtig sei ihr, dafür zu sensibilisieren, wo dieser Bildungsbereich überall drinstecke. Ziel von Fortbildungen sei neben der systematischen Reflexion auch der Austausch und die Vernetzung.

Melanie Habsick © Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH

Frühe naturwissenschaftliche Bildung in der Kita umzusetzen, sei eine Teamleistung, sagte Melanie Habsick vom Paul Schneider Kindergarten in Marl. Daher würden in ihrer Einrichtung alle Fachkräfte in wahrnehmender Beobachtung geschult. Ziel dabei ist es, eine professionelle Haltung zu entwickeln, die es ermöglicht, Bildungsprozesse von Kindern wahrzunehmen, um auf kindliche Initiativen sinnvoll zu antworten – ausgerichtet an den Möglichkeiten und Ressourcen der Kinder und der pädagogischen Fachkräfte.

Anita Meyer © Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH

„Weiterbilden bedeutet, die Fachkräfte zu bestärken“, meinte die freie Weiterbildnerin Anita Meyer von Perspektive Bilden in Vierkirchen. Die Publikationen der WiFF-Reihe Wegweiser Weiterbildung gefielen ihr unter anderem deshalb so sehr, weil diese nah am Kita-Alltag seien.

Christiane Schweitzer © Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH

Eine ehrliche und richtige Antwort auf Fragen der Kinder zu geben, sollte das Ziel von Fachkräften sein, sagte Christiane Schweitzer von der Landrat-Gruber Schule in Groß-Umstadt. Sie ermutigte Fachkräfte, eine Forscherhaltung zu entwickeln und sich auf lebenslanges Lernen einzulassen. „Schließlich haben Kinder ein Recht auf eine Antwort.“

Frank Knüfken © Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH

„Wir wollen zusammen mit den Kindern forschen“: Das sei die ideale Haltung einer Kita-Fachkraft bei früher naturwissenschaftlicher Bildung, sagte Frank Knüfken vom Evangelischen Kirchenkreis Recklinghausen. Er unterstrich die Bedeutung wahrnehmender Beobachtung.

Laura Kruszczak © Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH

Viele Fachkräfte hätten eine hohe Hemmschwelle bei früher naturwissenschaftlicher Bildung, berichtete Laura Kruszczak von der Kindertagesstätte Alexianer Pänz in Köln. Nach ihrer Erfahrung jedoch können sich Themen und Aktivitäten in diesem Bildungsbereich leicht aus dem Kita-Alltag ergeben. Zum Beispiel seien Schmetterlinge kürzlich ein wichtiges Thema in der pädagogischen Arbeit ihrer Einrichtung gewesen. Dies habe sich aus dem zahlreichen Vorkommen der Tiere im Außengelände der Kita ergeben.

Dr. Janna Pahnke © Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH

„Gemeinsam forschen hat – im Zusammenspiel mit sprachlicher Bildung – eine hohe integrative Kraft“, sagt Dr. Janna Pahnke vom Haus der kleinen Forscher in Berlin. Für die Fachkräfte bedeute gemeinsames Forschen mit Kindern, sich auf Unsicherheit einzulassen. Denn: „Wenn man wirklich wissenschaftlich vorgeht, ist der Ausgang offen.“ Etwas nicht zu wissen, sei aber nicht schlimm – man könne es gemeinsam mit den Kindern erforschen.

Frühe naturwissenschaftliche Bildung verbindet zwei Bildungsbegriffe

© Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH

„Die Welt bringt Widerstände mit sich. Diese ermöglichen überhaupt erst neue Erfahrungen“, sagte Professor Dr. Markus Rehm von der Pädagogische Hochschule Heidelberg. Neue Erfahrungen wiederum seien der Ausgangspunkt für Verstehen. In seinem Vortrag stellte er zwei Bildungsbegriffe einander gegenüber: einerseits den klassischen Bildungsbegriff, der in der Tradition Humboldts die Zweckfreiheit zentral setze; andererseits einen pragmatischen Bildungsbegriff, der im Sinne der literacy die Teilhabe einfordere. Beide Ansätze schlössen einander im Prinzip aus.
Rehm zeigte jedoch die Vorteile beider Herangehensweisen auf. So sei der pragmatische Bildungsbegriff, der auf funktionale Grundbildung setze, anwendbar und anschlussfähig und liege vielen Studien, etwa der Pisa-Studie und dem Bildungsbericht, zugrunde. Demgegenüber lasse sich mit dem klassischen Bildungsbegriff beschreiben, wie ein Subjekt durch die Auseinandersetzung mit der Welt lerne. Demnach sei Bildung die produktive Transformation von Irritation.
Im Idealfall verbinde gute frühe naturwissenschaftliche Bildung beide Aspekte, argumentierte Prof. Dr. Rehm: Indem sie Lernfreude, Interesse und Zutrauen fördere, erfülle sie die klassischen Kriterien von Bildung. Dadurch, dass sie aber auch Wissen und Fähigkeiten vermittle, die Bezüge zu sozialen, gesellschaftlichen und technischen Aspekten aufwiesen, sei sie auch Bildung im pragmatischen Sinne. Das Ziel naturwissenschaftlicher Bildung in der Kita müsse sein, Erfahrung und Verstehen zu ermöglichen. Das illustrierte er mit einem Fallbeispiel aus der Praxis: Kinder beobachten einen Schatten, sprechen über das Phänomen und probieren Erklärungsversuche; die Fachkraft greift das Gespräch in einem kleinen Experiment auf. Das Publikum diskutierte, wieviel Fachwissen die Kita-Fachkraft dafür benötige und wie stark sie neue Fragen einbringen dürfe.

Paradoxe Anforderungen früher naturwissenschaftlicher Bildung meistern

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„Wie lässt sich Lernbegleitung gestalten, wenn wir wissen, dass Einsichten nicht planbar sind, sondern uns widerfahren?“, fragte Professor Dr. Bernhard Kalicki, Leiter der Abteilung Kinder und Kinderbetreuung am Deutschen Jugendinstitut in München. Damit griff er eine These aus dem Vortrag von Prof. Dr. Rehm auf und formulierte ein wichtiges Paradox früher naturwissenschaftlicher Bildung. Wie diese gelingen könne, zeigten die Materialien der WiFF auf, insbesondere der Wegweiser Weiterbildung zum Thema. Mit Blick auf die zahlreichen Publikationen der WiFF und die fast zehnjährige Laufzeit des Projekts lobte Prof. Dr. Kalicki die Erträge von WiFF und lud zur nächsten Veranstaltung ein: dem WiFF-Bundeskongress im November 2018 in Berlin.

Bildergalerie (Fotos: Patrick Kaut | ® Oktogon | Interartes GmbH)

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