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Interview "Bildung für nachhaltige Entwicklung will Kinder befähigen, zukunftsfähig zu denken und zu handeln"

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sensibilisiert für weltweite Probleme und sucht nach Lösungen und Handlungsansätzen. Die Zielperspektiven soziale Gerechtigkeit, ökologische Verträglichkeit und eine zunkuftsfähige ökonomische Entwicklung sind nur durch ein gesamtgesellschaftliches Engagement zu erreichen. Deshalb wird BNE als Teil des lebenslagen Lernens verstanden, das bereits in der Kita beginnt. Was bedeutet BNE in der Kita-Praxis? Welche Akteure und Initiativen unterstützen die Einrichtungen bei diesem Weg? Und welchen Stellenwert nimmt BNE in der Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte ein? Darüber spricht Susanne Schubert im Interview. Sie ist Vorstand von Innowego – Forum Bildung & Nachhaltigkeit und Vorsitzende im Forum Frühkindliche Bildung.

Susanne Schubert

Nachhaltigkeit ist mittlerweile in aller Munde. Aber was „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in der Frühen Bildung bedeutet, ist nicht allen klar. Können Sie den Ansatz konkretisieren?

Bildung für nachhaltige Entwicklung will Kinder befähigen, zukunftsfähig zu denken und zu handeln. Dabei geht es um ein ganzheitliches Bildungsverständnis, das heißt um fachliche und personale Kompetenzen, die uns Menschen dabei unterstützen, mit Klimaerhitzung und weiteren Herausforderungen umzugehen. In der Kita ist es dabei besonders wichtig, an die Lebenswelt und die Fragen der Kinder anzuknüpfen. Kinder erhalten so die Möglichkeit, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen oder über Gerechtigkeit nazuchdenken. Sie begreifen, dass ihr Handeln Auswirkungen auf die Umwelt hat und erfahren, dass es Beteiligungsmöglichkeiten gibt, um gemeinsam unsere Gesellschaft zu gestalten. Das sollte ganz praktisch vom Kita-Alltag ausgehen und die Familien sowie das Umfeld der Kita einschließen.

Sie sind die Vorsitzende des BNE-Fachforums Frühkindliche Bildung – woran arbeitet dieses Fachforum genau und was ist seine Zielsetzung?

Das Forum Frühkindliche Bildung hat für den Nationalen Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung (NAP) die fünf Handlungsfelder "Bildungspläne", "Aus- und Weiterbildung", "institutioneller Auftrag der Träger", "professionelles Handeln in der Praxis" und "Vernetzungsstrukturen" definiert. Für diese Handlungsfelder arbeiten wir Maßnahmen heraus, die dazu beitragen, BNE in den Kitas stärker zu verankern. So ist beispielsweise ein Referenzrahmen für die frühkindliche Bildung entstanden, der eine Hilfestellung bietet, BNE in den trägereigenen QM-Systemen zu etablieren. Darüber hinaus organisieren wir Veranstaltungen und bringen Fachpapiere auf den Weg, beispielsweise zur Relevanz von BNE in den Bildungsplänen oder auch das WiFF Arbeitspapier zu Gelingensbedingungen von BNE-Weiterbildungen.

BNE in Kitas ist mit Blick auf Ziele wie ein friedliches gesellschaftliches Zusammenleben, Ressourcenschonung und Umweltschutz extrem wichtig. Hat das Thema bereits diesen Stellenwert in der Aus- und Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte?

BNE gewinnt gerade in den Feldern der Aus- und Weiterbildung an Bedeutung, wobei es Unterschiede in den Ländern gibt. Das hat auch eine aktuelle Studie, die das institut futur an der Freien Universität Berlin durchgeführt hat, gezeigt. Ein Ergebnis war, dass BNE in der Ausbildung eine größere Rolle spielen sollte – sowohl in den Schulen als auch in den Hochschulen und auch im Bereich der Weiterbildung. Dazu braucht es auch Lehrende, die zu BNE weiterqualifiziert sind. Auch wäre es sinnvoll, alle Bildungsorte zu nachhaltigen Lernorten weiterzuentwickeln. Das fängt bei Gebäude und Außenanlagen an und reicht bis hin zur Wahl des Energieversorgers oder des Caterers.

Wer sind die Mitglieder des Fachforums Frühkindliche Bildung?

Im Forum arbeiten unterschiedliche Akteurinnen und Akteure aus den Ebenen des Bundes, der Länder und Kommunen mit Expertise zum Feld der Frühen Bildung sowie der BNE zusammen. Zum einen werden sie von Mitgliedsorganisationen der Nationalen Plattform entsandt, beispielsweise vom Bündnis ZukunftsBildung. Zum anderen haben wir Expertinnen und Experten berufen, die die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zu BNE unterstützen – beispielsweise Vertreterinnen und Vertreter der AGJ, der Stiftung Haus der kleinen Forscher, der WiFF oder von Kita-Parents4future.

Welche Weiterbildungsangebote gibt es bereits für Fachkräfte?

Im Weiterbildungsbereich ist einiges in Bewegung: Beispielsweise gibt es ergänzend zum hessischen Bildungsplan die Möglichkeit für Kita-Teams mehrtägige Teamfortbildungen zu BNE zu besuchen. In Rheinland-Pfalz gibt es schon seit einigen Jahren Weiterbildungen für Kita-Fachkräfte, die aus Landesmitteln gefördert werden. In Hamburg und Schleswig-Holstein wurde mit kita21 ein Programm aufgelegt, das ebenfalls die Qualifizierung von Fachkräften anstrebt. Auch bundesweite Initiativen wie die Stiftung Haus der kleinen Forscher haben ihr Portfolio erweitert und bieten Fortbildungen zu BNE an. Es gibt bundesweite Projekte, z.B. das Klima-Kita-Netzwerk, das ebenfalls Fortbildungsangebote bereithält, genauso wie einige Kita- Träger, verschiedene Akademien und weitere Fortbildungsanbieter.

Im Sinne des „Whole institution approaches“ ist BNE ja nicht nur Aufgabe der Fachkräfte, sondern der Organisation Kita als Ganzes. Welche Potenziale hat BNE als Organisationsentwicklungsprozess und welche Akteure sollten diesen Prozess gestalten?

Das ist absolut richtig und leitet sich ja aus der Beschreibung des nachhaltigen Lernortes ab. Auf jeden Fall sind neben den Kita-Teams auch die Träger hier gefragt. Eine besondere Rolle kommt der Kita-Leitung zu, aber auch der Fachberatung und natürlich auch externen Personen, die solche Prozesse der Organisationsentwicklung begleiten und unterstützen können.

Welche Entwicklung wünschen Sie sich um BNE gesamtgesellschaftlich mehr Schubkraft zu verleihen?

BNE in den Kitas kann dazu beitragen Kinder und Familien zu stärken und wichtige Zugänge zu Nachhaltigkeitsfragen schaffen. Davon profitieren wir individuell und gesamtgesellschaftlich. BNE in Kitas ist daher ein Schlüsselansatz. Ich würde mir deshalb ausreichend finanzielle und zeitliche Ressourcen wünschen, um den Prozess auf allen Ebenen zu unterstützen. Idealerweise würde ein Programm den flächendeckenden nachhaltigen Umbau von Kitas fördern. Und darüber hinaus ständen kontinuierliche Mittel auf allen Ebenen im System zur Verfügung, die die Umsetzung einer qualitativ hochwertigen BNE in der Ausbildung, Weiterbildung oder Beratung fördern und ermöglichen. Denn sehr gut ausgebildete pädagogische Fach- und Leitungskräfte sind ein wichtiger Faktor. Zu guter Letzt benötigt das Kita-Personal gute Rahmenbedingungen. Hier ist der Personalschlüssel ein wichtiger Hebel. Die Fachkräfte brauchen ausreichend Zeit, um die pädagogische Praxis zu gestalten, zu reflektieren und weiterzuentwickeln – auch im Austausch mit anderen Einrichtungen und Akteurinnen und Akteuren.

 

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