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Im Interview Dr. Pia Rother, Kassel

Dr. Pia Rother ist Vertretungsprofessorin im Fachgebiet Erziehungswissenschaft an der Universität Kassel und beschäftigt sich mit den Themen Ganztagsschule, Kooperation Schule und Kinder- und Jugendhilfe sowie soziale Ungleichheit. Ihre Dissertation schrieb sie über eine außerschulische Kooperation zwischen Ganztagsschule und Kinder- und Jugendarbeit im Kontext Benachteiligung. Und auch zur innerschulischen Kooperation hat sie bereits ein Forschungsprojekt an der Universität Siegen durchgeführt.

Dr. Pia Rother

Welche Aspekte machen aus Ihrer Sicht einen gelungenen Ganztag aus?

Ein „guter“ Ganztag wäre, wenn sich anhand von Studien zeigt, dass Kinder und Jugendliche positive Erfahrungen mit ganz unterschiedlichen Angeboten machen können und zudem allen gleiche Teilhabechancen ermöglicht werden. Das heißt, dass das System Ganztagsschule ihre Zielgruppe ins Zentrum rückt, statt nur umsetzt, was sich gut organisieren lässt, formalen Vorgaben entspricht oder für die die Fachkräfte gut funktioniert. Die Angebote sollten sich also an den Kindern orientieren und von diesen mitbestimmt werden können. Aber auch für Eltern muss der Ganztag funktionieren, also verlässlich planbar und dennoch auch flexibel sein. Zu einer guten Umsetzung gehört auch, dass zum Beispiel bei Hausaufgaben organisationsübergreifend zusammengearbeitet wird.

Welche zentralen Kompetenzen benötigt das pädagogisch tätige Personal, um dies umzusetzen?

Noch vor den Kompetenzen erscheinen mir bessere Rahmenbedingungen für alle pädagogischen Akteurinnen und Akteure – also Lehrkräfte und weiteren pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – wichtig. Damit meine ich vor allem mehr Zeit und Raum für Zusammenarbeit sowie bessere Strukturen. Bei dem außerunterrichtlichen Personal sind beispielweise kontinuierliche Beschäftigungsverhältnisse nicht selbstverständlich, was die Qualifizierung und Zusammenarbeit erschwert und Machtverhältnisse (re)produziert. Zudem bräuchte es eine Institutionalisierung des Austauschs zwischen unterrichtlichem und außerunterrichtlichem Personal.

Vor welchen Herausforderungen steht das Personal der ganztägigen Bildungseinrichtungen?

Die Zusammenarbeit des unterrichtlichen und des außerunterrichtlichen Personals ist im Berufsalltag herausfordernd. Meine Forschungen zeigen, dass dieses Verhältnis von schulischen Logiken dominiert wird, die sogar in außerschulische Einrichtungen hineinragen, wie etwa in externe Hausaufgabenbetreuungen. Die größere Herausforderung sehe ich aber in einem sensiblen Umgang mit benachteiligenden Faktoren, wenn Kinder und Jugendliche einerseits gefördert, aber Ungleichheiten dabei nicht intensiviert werden sollen.

Welchen Aspekt möchten Sie in der Expertengruppe stark machen?

Die Ausgestaltung der Verhältnisse zwischen schulischen und außerschulischen Akteurinnen und Akteuren sind komplex und hierarchisch geprägt. Dafür möchte ich den Blick schärfen. Denn diese Ausgangsbedingungen dämpfen bereits im Ansatz die hohen Ziele von Ganztagsschulen. Dazu gehört etwa der Abbau von Bildungsbenachteiligungen. Dabei erscheint gerade in der Schule die professionsübergreifende Zusammenarbeit einen Wert an sich zu haben, der bisher verkannt wird.

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