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Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff im Interview Anrechnung von Kompetenzen auf ein Studium

Erzieherinnen und Erzieher, die ihre Ausbildung an einer baden-württembergischen Fachschule abgeschlossen haben, können sich für den Bachelor-Studiengang "Pädagogik der Kindheit" an der Evangelischen Hochschule Freiburg Kompetenzen anrechnen lassen und im 3. Fachsemester einsteigen. Grundlage dafür ist ein pauschales Anrechnungsverfahren, das Vertreterinnen und Vertreter Freiburger Hochschulen, Fachschulen und Weiterbildungsanbieter gemeinsam in der Zertifizierungsinitiative Südbaden (ZFS) entwickelt haben. WiFF hat die Arbeit der ZFS unterstützt. Klaus Fröhlich-Gildhoff, Gründer der ZFS,  berichtet von den Beweggründen und den Stolpersteinen bei der Entwicklung des Anrechnungsverfahrens.

Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff im Interview

Wie entstand die Idee, ein Anrechnungsverfahren auf den Weg zu bringen?

Als wir vor zehn Jahren mit der Konzeption der ersten kindheitspädagogischen Studiengänge begonnen hatten, war die Überlegung: Was ist eigentlich mit den Erzieherinnen und Erziehern, die jetzt schon im Feld sind? Ihnen wollten wir mit Anrechnungsverfahren ein verkürztes Studium ermöglichen. Zunächst haben wir uns aber darauf konzentriert, die Studiengänge aufzubauen. Erst etwas später haben wir dann ein systematisches Anrechnungsverfahren entwickelt, wobei wir erst gelernt haben, wie Kompetenzen für die Anrechnung beschrieben werden müssen. Hilfreich war, dass an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin schon ein Modell entwickelt worden war, an dem wir uns orientieren konnten.

Mit welcher Motivation beteiligen sich die Fachschulen und das Stuttgarter Kultusministerium an der ZFS?

Die Personen, die im Kultusministerium für die Fachschulen zuständig sind, versprachen sich von der Kooperation einen Impuls für die Fachschulen. Das Interesse der Fachschulen selbst war anfangs gespalten. Da gab es einige, die sagten, wir bieten doch an den Fachschulen eine gute Ausbildung an und brauchen keine Studiengänge. Aber zum Glück hatten wir auch schon seit Jahren einen engen Austausch mit den Fachschulen in Freiburg. Ich glaube, letzlich haben sich die Fachschulen eine Aufwertung versprochen. Und sie haben an ihre Schülerinnen und Schüler mit Abitur gedacht, die über ein Anrechnungsverfahren ein verkürztes Studium anschließen können.

Wie haben Sie in der ZFS zusammen das Anrechnungsverfahren entwickelt?

Ausgangspunkt war eine Liste anrechnungsfähiger Module aus dem Handbuch unseres Studiengangs. In der ZFS haben wir geprüft, welche Überschneidungen es zwischen diesen Modulen und der Fachschulausbildung gibt. Da prallten zwei grundsätzliche Positionen aufeinander. Seitens der Fachschulen hieß es: Diese Inhalte vermitteln wir auch, also sollte man sie pauschal anrechnen. Manche Hardliner an den Hochschulen meinten: Mit einer wissenschaftlichen Ausbildung hat das nichts zu tun, also sollte man nichts anrechnen. Die Schwierigkeit war, diese Positionen zu verbinden. Es haben dann jeweils die Zuständigen der Hochschulen mit denen der Fachschulen in Tandems zusammengearbeitet.

Welche Stolpersteine gab es?

Schwierigkeiten machte uns, dass die Fachschullehrpläne damals nicht kompetenzbasiert formuliert waren, und die verschiedenen Begrifflichkeiten. Die meisten Tandems konnten sich aber relativ schnell einigen. Länger gedauert haben die Verständigungsprozesse, wenn die Lehrenden ganz unterschiedlich sozialisiert waren: hier ein Hochschullehrer, der sich in der Fachdidaktik promoviert und habilitiert hat, dort ein Lehrer für Naturwissenschaften an der Fachschule. Da wurden mitunter regelrechte Kämpfe ausgetragen, bevor es eine Einigung gab. Für manche Module, die nicht vollständig deckungsgleich mit den Fachschulinhalten sind, werden Propädeutika, also Brückenkurse angeboten. Im Ergebnis verfügen wir nun über ein transparentes, Personen unabhängiges Verfahren, auf das sich alle Beteiligten verlassen können.

Welche Rolle spielt die Weiterbildung bei der ZFS?

Die Weiterbildnerinnen und Weiterbildner haben die Tandems zunächst sehr aufmerksam beobachtet und sich mit der Kompetenzorientierung auseinandergesetzt: Was heißt das grundsätzlich? Und was bedeutet es für unsere Arbeit? Aus dieser Auseinandersetzung sind die Weiterbildungsträger aktiv geworden, haben einige Angebote kompetenzorientiert ausgerichtet und durch die ZFS zertifiziert. Sie sind damit anrechenbar auf ein Studium an unserer Hochschule. Für die Weiterbildungsträger ist das attraktiv als Gütesiegel und um Teilnehmende zu gewinnen. Hilfreich war übrigens auch die Publikationsreihe Wegweiser Weiterbildung von WiFF. Die Weiterbildungsträger haben sie als Anregung und später als Prüffolie für die Entwicklung eigener Angebote genutzt. Inzwischen sind die Weiterbildungsträger zum Motor der ZFS geworden.

Was bedeutet das, Motor der ZFS?

Die Fachschulen arbeiten mit längerfristigen Lehrplänen. Die Weiterbildungsträger hingegen wollen immer wieder neue Konzepte und Themen entwickeln, und sie wollen diese Angebote auch zertifizieren lassen. Also arbeiten wir weiter zusammen, und zwar nicht auf einer formalistischen Ebene, die einen reichen ein, die andern prüfen und zertifizieren, sondern wir treffen uns regelmäßig drei, vier Mal im Jahr als Gruppe. Die ZFS ist so zum Forum geworden, um sich über aktuelle Entwicklungen in der Weiterbildung und im Arbeitsfeld auszutauschen.

Welche Ideen gibt es zur Weiterentwicklung der ZFS?

Eine Idee ist, uns von der Aufgabe des Zertifizierens zu lösen, und auf inhaltlicher Ebene zu arbeiten. Denn wir haben aus meiner Sicht in der Früh-/Kindheitspädagogik relativ viel Wissen – wir wissen wie Sprachförderung oder gute Interaktionen zwischen Pädagoginnen und Kindern aussehen – aber in der Praxis wird dieses Wissen nicht systematisch umgesetzt. Die Grundidee hierfür wären  regionale Transferverbünde, in denen Hochschulen, Fachschulen, Weiterbildungs- und Kita-Träger und weitere Akteure zusammenwirken. Gemeinsam definieren sie auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse  Schwerpunktthemen und entwickeln dazu Aus- und Weiterbildungsangebote. Ein solcher Transferverbund könnte zum Beispiel die "Interaktion Fachkraft-Kind" als Jahresthema setzen und eine Weiterbildung genau zu diesem Thema starten. Praxisorientierte Forschungs- bzw. Evaluationsprojekte flankieren diese Aktivitäten.

Welche Bilanz ziehen Sie von der ZFS, und welche Ansatzpunkte sehen Sie für die Zukunft, mit Blick auf Durchlässigkeit?

Ich finde es gut, dass wir ein Verfahren zur Anrechnung von Kompetenzen entwickelt haben. Es hat gezeigt, dass man gemeinsam etwas auf die Schiene setzen kann, wenn sich alle Seiten aufeinander zubewegen. Meine Vision ist, dieses Anrechnungssystem in Verbindung mit kompetenzbasierter Weiterbildung noch viel breiter weiterzuentwickeln. Im Moment können wir nur 60 Credit Points auf das Studium anrechnen. Grundsätzlich bieten die Rahmenbedingungen der EU aber die Möglichkeit, bis zur Hälfte des Studienumfangs durch außerhochschulisch erworbene Kompetenzen abzudecken. Es wäre deshalb gut möglich, im Verbund mit Weiterbildungsträgern noch systematischer in berufsbegleitenden Weiterbildungen den Kompetenzerwerb auf Bachelor-Niveau zu fördern. Vielleicht gelingt es sogar, einen abgestimmten "Weiterbildungs-Bachelor" zu konzipieren, bei dem wissenschaftliches Denken, also die "forschende Grundhaltung", ein Leitprinzip wäre. Ein solches Angebot unterstützt engagierte Fachkräfte und kann zu einer Weiterqualifizierung der Weiterbildung selbst führen.

Mit welcher Motivation beteiligen sich die Fachschulen und das Stuttgarter Kultusministerium an der ZFS?

Die Personen, die im Kultusministerium für die Fachschulen zuständig sind, versprachen sich von der Kooperation einen Impuls für die Fachschulen. Das Interesse der Fachschulen selbst war anfangs gespalten. Da gab es einige, die sagten, wir bieten doch an den Fachschulen eine gute Ausbildung an und brauchen keine Studiengänge. Aber zum Glück hatten wir auch schon seit Jahren einen engen Austausch mit den Fachschulen in Freiburg. Ich glaube, letzlich haben sich die Fachschulen eine Aufwertung versprochen. Und sie haben an ihre Schülerinnen und Schüler mit Abitur gedacht, die über ein Anrechnungsverfahren ein verkürztes Studium anschließen können.

Wie haben Sie in der ZFS zusammen das Anrechnungsverfahren entwickelt?

Ausgangspunkt war eine Liste anrechnungsfähiger Module aus dem Handbuch unseres Studiengangs. In der ZFS haben wir geprüft, welche Überschneidungen es zwischen diesen Modulen und der Fachschulausbildung gibt. Da prallten zwei grundsätzliche Positionen aufeinander. Seitens der Fachschulen hieß es: Diese Inhalte vermitteln wir auch, also sollte man sie pauschal anrechnen. Manche Hardliner an den Hochschulen meinten: Mit einer wissenschaftlichen Ausbildung hat das nichts zu tun, also sollte man nichts anrechnen. Die Schwierigkeit war, diese Positionen zu verbinden. Es haben dann jeweils die Zuständigen der Hochschulen mit denen der Fachschulen in Tandems zusammengearbeitet.

Welche Stolpersteine gab es?

Schwierigkeiten machte uns, dass die Fachschullehrpläne damals nicht kompetenzbasiert formuliert waren, und die verschiedenen Begrifflichkeiten. Die meisten Tandems konnten sich aber relativ schnell einigen. Länger gedauert haben die Verständigungsprozesse, wenn die Lehrenden ganz unterschiedlich sozialisiert waren: hier ein Hochschullehrer, der sich in der Fachdidaktik promoviert und habilitiert hat, dort ein Lehrer für Naturwissenschaften an der Fachschule. Da wurden mitunter regelrechte Kämpfe ausgetragen, bevor es eine Einigung gab. Für manche Module, die nicht vollständig deckungsgleich mit den Fachschulinhalten sind, werden Propädeutika, also Brückenkurse angeboten. Im Ergebnis verfügen wir nun über ein transparentes, Personen unabhängiges Verfahren, auf das sich alle Beteiligten verlassen können.

Welche Rolle spielt die Weiterbildung bei der ZFS?

Die Weiterbildnerinnen und Weiterbildner haben die Tandems zunächst sehr aufmerksam beobachtet und sich mit der Kompetenzorientierung auseinandergesetzt: Was heißt das grundsätzlich? Und was bedeutet es für unsere Arbeit? Aus dieser Auseinandersetzung sind die Weiterbildungsträger aktiv geworden, haben einige Angebote kompetenzorientiert ausgerichtet und durch die ZFS zertifiziert. Sie sind damit anrechenbar auf ein Studium an unserer Hochschule. Für die Weiterbildungsträger ist das attraktiv als Gütesiegel und um Teilnehmende zu gewinnen. Hilfreich war übrigens auch die Publikationsreihe Wegweiser Weiterbildung von WiFF. Die Weiterbildungsträger haben sie als Anregung und später als Prüffolie für die Entwicklung eigener Angebote genutzt. Inzwischen sind die Weiterbildungsträger zum Motor der ZFS geworden.

Was bedeutet das, Motor der ZFS?

Die Fachschulen arbeiten mit längerfristigen Lehrplänen. Die Weiterbildungsträger hingegen wollen immer wieder neue Konzepte und Themen entwickeln, und sie wollen diese Angebote auch zertifizieren lassen. Also arbeiten wir weiter zusammen, und zwar nicht auf einer formalistischen Ebene, die einen reichen ein, die andern prüfen und zertifizieren, sondern wir treffen uns regelmäßig drei, vier Mal im Jahr als Gruppe. Die ZFS ist so zum Forum geworden, um sich über aktuelle Entwicklungen in der Weiterbildung und im Arbeitsfeld auszutauschen.

Welche Ideen gibt es zur Weiterentwicklung der ZFS?

Eine Idee ist, uns von der Aufgabe des Zertifizierens zu lösen, und auf inhaltlicher Ebene zu arbeiten. Denn wir haben aus meiner Sicht in der Früh-/Kindheitspädagogik relativ viel Wissen – wir wissen wie Sprachförderung oder gute Interaktionen zwischen Pädagoginnen und Kindern aussehen – aber in der Praxis wird dieses Wissen nicht systematisch umgesetzt. Die Grundidee hierfür wären  regionale Transferverbünde, in denen Hochschulen, Fachschulen, Weiterbildungs- und Kita-Träger und weitere Akteure zusammenwirken. Gemeinsam definieren sie auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse  Schwerpunktthemen und entwickeln dazu Aus- und Weiterbildungsangebote. Ein solcher Transferverbund könnte zum Beispiel die "Interaktion Fachkraft-Kind" als Jahresthema setzen und eine Weiterbildung genau zu diesem Thema starten. Praxisorientierte Forschungs- bzw. Evaluationsprojekte flankieren diese Aktivitäten.

Welche Bilanz ziehen Sie von der ZFS, und welche Ansatzpunkte sehen Sie für die Zukunft, mit Blick auf Durchlässigkeit?

Ich finde es gut, dass wir ein Verfahren zur Anrechnung von Kompetenzen entwickelt haben. Es hat gezeigt, dass man gemeinsam etwas auf die Schiene setzen kann, wenn sich alle Seiten aufeinander zubewegen. Meine Vision ist, dieses Anrechnungssystem in Verbindung mit kompetenzbasierter Weiterbildung noch viel breiter weiterzuentwickeln. Im Moment können wir nur 60 Credit Points auf das Studium anrechnen. Grundsätzlich bieten die Rahmenbedingungen der EU aber die Möglichkeit, bis zur Hälfte des Studienumfangs durch außerhochschulisch erworbene Kompetenzen abzudecken. Es wäre deshalb gut möglich, im Verbund mit Weiterbildungsträgern noch systematischer in berufsbegleitenden Weiterbildungen den Kompetenzerwerb auf Bachelor-Niveau zu fördern. Vielleicht gelingt es sogar, einen abgestimmten "Weiterbildungs-Bachelor" zu konzipieren, bei dem wissenschaftliches Denken, also die "forschende Grundhaltung", ein Leitprinzip wäre. Ein solches Angebot unterstützt engagierte Fachkräfte und kann zu einer Weiterqualifizierung der Weiterbildung selbst führen.

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