Rückblick auf den Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag : Ausbildungsreformen in der Frühen Bildung und deren Konsequenzen für die Praxis
Der enorme Fachkräftebedarf in der Frühen Bildung wurde im letzten Jahrzehnt vor allem über den Ausbau der Ausbildungskapazitäten gedeckt. Um mehr junge Menschen für eine Erzieher:innenausbildung oder ein Studium der Kindheitspädagogik zu gewinnen, wurden die Zugangswege sowie die Ausbildungs- und Studienformate ausgeweitet. Zudem wurden berufsbegleitende und praxisintegrierte Modelle eingeführt, die für die angehenden Fachkräfte eine Vergütung sowie eine frühe Mitarbeit in den Einrichtungen vorsehen. Wie wirken sich diese Reformen auf die Ausbildungspraxis bzw. die Schüler:innen und Studierenden aus? Dazu führt die WiFF empirische Studien durch, deren Ergebnisse sie am 15.05.2025 auf dem Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag (DJHT) im Rahmen eines Panels vorstellte.
Analysen des Fachkräftebarometers Frühe Bildung, die die WiFF-Referentinnen Angélique Gessler vorstellte, zeigen den Erfolg der neuen Ausbildungsmodelle: in den Flächenländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen beginnen mittlerweile mehr als die Hälfte der angehenden Erzieher:innen eine praxisintegrierte Ausbildung, in Berlin und Rheinland-Pfalz setzt die Mehrzahl auf eine berufsgleitende Teilzeitausbildung. Auch Ausbildungsgänge an Berufsfachschulen, die Kinderpfleger:innen oder Sozialassistent:innen ausbilden, führen zunehmend solche Modelle ein.
Dass es durch die neuen Formate geglückt ist, Menschen mit unterschiedlichen sozialen und Bildungshintergründen anzusprechen, verdeutlicht WiFF-Leitung Professorin Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin anhand der Ergebnisse der ersten Welle der WiFF-Panelbefragung bei Schüler:innen und Studierenden, die kurz vor dem Ausbildungsabschluss stehen. Die Daten zeigen, dass die angehenden Fachkräfte mit Ausbildung und Studium überwiegend zufrieden sind. Belastungen treten insbesondere durch die Anforderungen von Schule und Hochschule auf, weniger durch die hohen Praxisanteile. Insgesamt fühlen sich die Schüler:innen und Studierende in dualisierten Formaten aber etwas stärker belastet als die in Vollzeit. Abfedern könnte dies eine gute Begleitung der Auszubildenden sowie eine enge Zusammenarbeit der Lernorte Schule bzw. Hochschule und Praxis. Letztere lasse allerdings oftmals zu wünschen übrig, wie eine Interviewstudie der WiFF mit Praktikant:innen und Praxis-Mentor:innen zeigt, die WiFF-Referentin Clarissa Nachtigall präsentierte. Aus Sicht der Praktikant:innen sind die Kontakte der beiden Lernorte zu selten und wenig formalisiert. Dass mit der Zunahme praxisintegrierter Formate die Rolle der Praxis-Mentor:in in den Fokus gerückt ist, belegen gestiegene Qualifikationsanforderungen in den Ländern. Auch die Mentor:innen selbst äußern in den Interviews Weiterbildungsbedarfe, um ihren Aufgaben besser gerecht zu werden.
Kommentiert wurden die vorgestellten Befunde aus Sicht der Kita-Träger von Lena Przibylla, Bereichsleitung Hedi-Kitas des Erzbistums Berlin, sowie aus Sicht der Ausbildung von Dr. Timo O. Meister, Bundesvorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft katholischer Ausbildungsstätten für Erzieher:innen. Sie hoben hervor, dass die Ausbildung mit der Zeit gehen müsse, um Fachkräfte, und die Kinder mit denen sie arbeiten, für die Anforderungen der Zukunft zu rüsten. Trotz der gestiegenen Bedeutung des Lernorts Praxis läge die Prüfungsverantwortung bei den Schulen oder Hochschulen, hier gelte es Bewertungskriterien für die Ausbildungsleistungen in und mit der Praxis weiterzuentwickeln. Die Situation im Arbeitsfeld Kindertagesbetreuung war und ist dynamisch, dies spiegele sich auch im Ausbildungssystem und dessen Curricula wieder. Aktuell entwickele sich die unterschiedliche Fachkräftesituation in Ost- und Westdeutschland zur Herausforderung: während in den westlichen Ballungsräumen Fachkräfte fehlen, werden im Osten immer weniger offene Stellen gemeldet.